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Der Genuss-Tüftler

Ruderting, den 16. 08. 2017

Der Genuss-Tüftler PNP-Bericht vom 12.08.2017

Rudertings Altbürgermeister Josef Schätzl hat sich zum Edelbrand-Sommelier weitergebildet – In seiner Brennerei wagt er gern Experimente

 

Sabine Kain.„Mich hat noch nie jemand betrunken gesehen“, sagt Josef Schätzl. „Auch meine Frau nicht, und das in 45 Ehejahren.“ Der 67-Jährige ist ein „Genusstrinker“ und empfindet die edlen Tropfen als Luxus. „Deswegen sollte man wissen, wie man richtig damit umgeht“, findet Rudertings Altbürgermeister, der sich nun im Ruhestand seiner Brennerei widmet – und den eigenen Rat beherzigt hat: Er ließ sich in Weihenstephan weiterbilden und ist nun Edelbrand-Sommelier.

Ende Juli erhielt Schätzl in München seine Urkunde aus den Händen des bayerischen Landwirtschaftsministers. Seit 2012 haben gut hundert Teilnehmer die Qualifizierung an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf absolviert. Für den 67-jährigen Rudertinger ist die Ausbildung zum Sommelier Teil seiner vierten Karriere: Der gelernte Landwirtschaftsmeister, der sich mit seiner Familie einen Gastronomiebetrieb aufgebaut hat, lenkte 25 Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke seiner Heimatgemeinde. Seit 2014 ist die Hausbrennerei des Schätzlhofs sein Reich.

Dort funkeln nicht nur Edelstahlfässer, der Kupferbrennkessel und die sauber aufgereihten, langhalsigen Flaschen im Regal, sondern auch die Augen von Josef Schätzl. Die Faszination fürs Brennen begleitet ihn schon lange. Seit 20 Jahren hat er ein Fachmagazin abonniert. 2008, als seine letzte Amtszeit als Bürgermeister beginnt, macht er ernst: Er besucht einen Kurs in Wien, kauft ein Jahr später eine Brennerei und präsentiert 2010 seine ersten beiden eigenen Brände aus Zwetschgen und Birnen.

Schätzl feiert schnell Erfolge: Schon 2012 gewinnen seine Brände, Geiste und Liköre bei Prämierungen Gold, Silber, Bronze. Der Ehrgeiz wuchs – „und dann ist das ein Sport geworden“. Die Regale, in denen seine abgefüllten Produkte stehen, sind gespickt mit Urkunden und Medaillen. Bei der internationalen Vergleichsverkostung „Destillata“ belegte er einen 18. Platz. „Aber ich möchte einen ersten, zweiten oder dritten“, sagt der Rudertinger. Und das Tüftler-Herz schlägt höher.

Um sich den letzten Schliff zu holen, drückte der 67-Jährige heuer wieder die Schulbank. Er war der älteste Teilnehmer der Sommelier-Ausbildung. „Das war schon ein mulmiges Gefühl“, gibt er zu. Doch bange machen gilt nicht: „Da musst du dich dahinterklemmen“, sagte er sich. Die Theorie über Sensorik, Kalkulation und Vermarktung füllt rasch einen ganzen Ordner. Die Praxis fordert vor allem Nase und Zunge: An einem Tag riechen die angehenden Sommeliers an 80 Sorten, täglich gibt es Verkostungen. In einer 14-tägigen Seminarpause habe er nur gelernt, gelernt, gelernt, sagt Schätzl. Das Probieren fremder Produkte gehörte dazu: Schwenken, riechen, nippen, schmecken, ausspucken, von vorn. Kommt das Aroma zur Geltung? Ist es süßlich? Stichig? Scharf? Brennt es? Durch 40 Sorten testet sich der Rudertinger, „aber nach 25 ist die Zunge taub“.

Die Prüfung besteht er souverän. Kontakt zu den anderen Kursteilnehmern hat er immer noch – über eine WhatsApp-Gruppe. Dort tauschen die Sommeliers ihre Erfahrungen aus, fragen nach Rat und geben sich Tipps. Geheimniskrämerei gebe es unter den Kleinbrennern nicht, sagt Schätzl. Dafür gebe es immer etwas Neues zu lernen.

Über Jahre trieb den ambitionierten Brenner die Williamsbirne zur Verzweiflung: „Das wollte mir einfach nicht gelingen.“ In drei Räumen – Brennerei, Kühlung und Vorbereitungsraum – macht Schätzl jeden Handgriff selbst, vom Schälen der Früchte bis zum Abfüllen in die Flaschen. Doch bei der Williamsbirne passierte der Fehler schon am Baum. „Sie muss am Baum reifen bis sie gelb ist, dann erst hat sie das richtige Aroma“, bekam Schätzl als Tipp. Und prompt hat’s geklappt. Zusatzstoffe kommen Schätzl nicht in die Flasche. Er will handwerklich arbeiten; alles dreht sich um die Frucht: Am Schätzlhof stehen über 200 Obstbäume, vieles holt sich der Rudertinger aber von auswärts und fährt teilweise bis nach Südtirol – persönlich, „denn ich will die Ware sehen“. Und das muss nicht immer Obst sein.

„Es gibt immer was zu experimentieren“, weiß der Tüftler. Edelbrände sind die „hohe Kunst“, denn „da muss alles passen“, weil der Alkohol beim Gärungsprozess aus der Frucht selbst entstehen muss. Bei Geisten verwendet man 96-prozentigen Alkohol, in den man die Früchte einlegt. „Das ist relativ einfach“, sagt der 67-Jährige und klingt fast ein wenig unterfordert. An dem Rezept für seinen ersten Gin hat er zwei Monate gearbeitet, bevor er überhaupt den Kessel anheizte.

40 Sorten Brände, Geiste und Liköre hat er inzwischen hergestellt, darunter auch ein „Zigarren-Brand“ und einen „Peperoni-Geist“. Besonders stolz ist Schätzl auf seine neueste Kreation: Ingwer-Apfel-Likör. „Ich hab’ recherchiert, aber mit Ingwer hab’ ich nichts gefunden“, erzählt er enthusiastisch. Er schenkt einen Schluck ein, schwenkt die zartgelbe Flüssigkeit im Glas und hebt es an die Nase. „Zitrusnote.“ Er nimmt einen kleinen Schluck und hält inne. „Ingweraroma.“ Er lächelt. „Pfeffrige Note.“ Für Josef Schätzl ein Glücksmoment.

 

Verkosten wie der Profi - S geht´s

 

  • Das Glas: Das Glas sollte eine Kelchform haben, empfiehlt der

    Edelbrand-Sommelier. Das übliche Stamperl eigne sich für fachgerechte

    Verkostungen nicht.

  • Wohltemperiert: Ideal zur Verkostung ist laut Josef Schätzl eine

    Getränketemperatur von 18/19 Grad Celsius.

  • Mit Schwung: Beim Schwenken und Riechen zeigen sich Aroma,

    Intensität und Frucht besonders gut.

  • Erstes Schlückerl: Der erste Schluck sollte ein kleiner sein, dazu

    ein bisschen Luft aufnehmen und das „Schlückerl“ auf der Zunge

    wirken lassen: Brennt es? Schmeckt es süß? Ist es nachhaltig im

    Abgang? „Wenn man eine Minute später nichts mehr merkt, dann

    ist es nichts“, sagt Josef Schätzl.

  • Vielfältiger Genuss: Wer mehrere Sorten verkostet, sollte idealerweise

    für jede ein neues, sauberes Glas verwenden.

     

 

Bild zur Meldung: Der Genuss-Tüftler