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Seniorenarbeit soll für Gemeinden zur Pflicht werden

Ruderting, den 08. 01. 2018

Seniorenarbeit soll für Gemeinden zur Pflicht werden PNP-Bericht vom 05.01.2018

Landesseniorenvertretung forciert entsprechenden Gesetzesentwurf – Fürsprecher im Landkreis Passau – Bürgermeister sind noch skeptisch

 

Sabine KainPassau/Ruderting. Jeder fünfte Bayer ist 65 Jahre oder älter. In 20 Jahren soll es schon jeder vierte sein. So rechnet es die Landesseniorenvertretung in der Begründung eines Gesetzesentwurfs hoch, den sie im Landtagswahljahr 2018 durchsetzen will. Mit dem „Bayerischen Seniorengesetz“ soll die Seniorenarbeit zur Pflichtaufgabe der Kommunen werden. Bisher ist das ein rein freiwilliges Engagement. Künftig sollen die Senioren das Recht haben, gehört zu werden – auch die rund 40 000 im Landkreis Passau.

Hier wurde der Gesetzesentwurf auch losgetreten, genau gesagt in Ruderting: Im Mai 2016 verabschiedeten dort 47 Teilnehmer eines Tagesseminars zur Seniorenarbeit die „Rudertinger Resolution“. Darin forderten Seniorenvertreter aus ganz Bayern, die Seniorenarbeit zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen.

 

Seniorenvertreter sollen mehr Rechte bekommen

 

Einer der Antreiber ist einer der beiden Rudertinger Seniorenvertreter, Rudolf Zimmermann. Die Forderung habe es vorher schon gegeben, erinnert er sich, doch mit der Resolution wurde ihr Nachdruck verliehen. Die nahende Landtagswahl soll dieses Jahr den Durchbruch bringen. Zimmermann ist von der Wichtigkeit überzeugt: „Das Entscheidende ist, dass es konkrete Mitwirkungsrechte gibt, wie ein Anhörungs- und Rederecht im Gemeinderat“, sagt er. Solange die Seniorenarbeit eine freiwillige Aufgabe ist, seien die Interessenvertreter auf den guten Willen der Gremien und Bürgermeister angewiesen. Zwar sei der Landkreis Passau mit seinen Gemeinden bereits gut aufgestellt, doch mit den Mitwirkungsrechten könne man noch immer einiges verbessern, ist Zimmermann überzeugt. Und die Seniorenarbeit stünde als Pflichtaufgabe auf sicheren Beinen, denn: „Die Krux an der Freiwilligkeit ist: Wenn eine Gemeinde sparen muss, wo spart sie dann?“

Eine Verbündete hat Zimmermann in Jella Teuchner. Die SPD-Kreisrätin ist Seniorenbeauftragte des Kreistags und brachte das Thema auf die Agenda des letzten Landesparteitags der Sozialdemokraten, die sich einstimmig dafür ausgesprochen haben, wie Teuchner berichtet. Sie ist guter Hoffnung, dass es bald ein Seniorengesetz geben wird – „nicht weil die Regierung die Notwendigkeit erkannt hat, sondern weil Wahlen vor der Tür stehen“. Das Gesetz hält Teuchner für wichtig, Verbesserungen auch im Landkreis Passau für möglich: „Manche Seniorenbeauftragte wollen mehr tun, haben aber nicht die Möglichkeit dazu, zum Beispiel weil die finanzielle Unterstützung fehlt.“

Oder es gibt erst gar keinen Seniorenbeauftragten. Das ist in zwei der 38 Landkreisgemeinden der Fall: Bad Griesbach und Bad Füssing. Roland Gruber von der Fachstelle Senioren am Landratsamt sieht das kritisch. Vor vier Jahren verabschiedete der Kreistag sein Seniorenpolitisches Gesamtkonzept, doch „viele Gemeinden sehen die Wichtigkeit noch gar nicht“, sagt Gruber. Mit Freizeitangeboten und Barrierefreiheit sei es nicht getan, sagt er. Das Landkreiskonzept zähle 13 Handlungsfelder – „und das Thema Seniorenarbeit pulsiert“.

In Bad Füssing ist es Aufgabe der Kurverwaltung, in diesen Dingen am Puls der Zeit zu bleiben. „Ein ehrenamtlicher Seniorenvertreter könnte das gar nicht leisten“, sagt Bürgermeister Alois Brundobler. „Wir haben sehr viele zugezogene ältere Herrschaften, da kommen zwei- bis dreimal so viele Anfragen wie bei anderen Gemeinden.“ Die Seniorenarbeit sieht er daher bei der Kurverwaltung gut aufgehoben – und hofft, dass es so bleibt: „Wir würden bedauern, wenn man das den Kommunen auflastet. Vielleicht gäbe es eine Anschubfinanzierung vom Freistaat, aber dann müssten wir das zahlen“, fürchtet er.

 

Noch Aufklärungsbedarf: „Konzept nicht praxisnah“

 

Der Neuhauser Bürgermeister Josef Schifferer, Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, sieht das Für und Wider: „Wo die Seniorenarbeit funktioniert, sehe ich keinen Grund für Eingriffe. Das heißt aber nicht, dass man es nicht weiterentwickeln kann.“ Es gebe immer mehr aktive Senioren, die sich einbringen möchten – „und dem muss man Rechnung tragen“, findet er. Ob neue Verwaltungsstrukturen nötig sind, stellt er aber in Frage. Er sieht in der Freiwilligkeit den Vorteil, dass sich jede Gemeinde, ihren Möglichkeiten entsprechend, einen individuellen Zugang zu dem Thema suchen kann. Oder umgekehrt: „Was mach ich, wenn ich für das Amt keinen finde?“

Sein Griesbacher Kollege Jürgen Fundke hatte mal „zwei Leute, die sich darum gekümmert haben“. Doch beide seien zurückgetreten, „weil kein Bedarf da war“, sagt der Bürgermeister. Seine Gemeinde tue viel für Senioren; es gebe keine Beschwerden. In Bad Griesbach sei es die Kirche, die sich besonders um ältere Mitbürger annehme, vor allem der Diakon, sagt Fundke. Er wäre „nicht begeistert“, wenn die Seniorenarbeit zur Pflichtaufgabe werde, sagt er, „aber wenn es eine Verbesserung bringt, ist das in Ordnung.“

Als eine der Vorzeige-Gemeinden im Landkreis gilt Aldersbach. Hier kümmern sich Heidy und Dieter Rabs um die Seniorenarbeit. Sie werden bereits jetzt – ohne gesetzliche Verpflichtung – von der Gemeindepolitik zu seniorenrelevanten Themen befragt. „Aber wir würden uns freuen, noch mehr eingebunden zu werden“, sagt Heidy Rabs. Den Gesetzesentwurf sehen sie dennoch kritisch: „Das Konzept ist sehr unübersichtlich, nicht praxisnah“, sagt Dieter Rabs. Er sieht das Sozialministerium in der Pflicht, Aufklärungsarbeit zu leisten. „Es wäre wirklich schön, wenn das Gesetz käme“, sagt er und zitiert Gandhi: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“

 

SENIORENGESETZ: Das steht im Entwurf

Der Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der politischen Gestaltungsrechte der älteren Bevölkerung Bayerns“ (Stand 20. November), den die Landesseniorenvertretung derzeit vorantreibt, sieht im Wesentlichen drei Punkte vor:

Verfassungsänderung

Die Bayerische Verfassung soll ergänzt werden. Unter anderem sei darin festzuschreiben, dass „niemand wegen seines Alters benachteiligt werden darf“ und dass „jeder das Recht hat, in Würde alt zu werden“.

Pflichtaufgabe

Im Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze soll festgelegt werden, dass „die Erarbeitung und Umsetzung eines seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes“ zu Pflichtaufgaben von Kommunen werden – für Gemeinden, Landkreise und Bezirke.

Institutionen

Der Entwurf sieht ein „Gesetz über die Bildung von Seniorenräten und einer Landesseniorenvertretung“ vor. Demnach wären in allen Gemeinden Seniorenräte einzurichten. Sie wären von den Kommunen „sächlich und finanziell angemessen“ auszustatten, hätten ein Anhörungsrecht „in allen die älteren Menschen betreffenden grundsätzlichen Angelegenheiten“ und dürften Anträge in Stadt- oder Gemeinderat stellen. Die Mitglieder der Seniorenräte sollen laut Entwurf mindestens 60 Jahre alt sein; ihre Anzahl und das Wahlverfahren soll die jeweilige Kommune bestimmen.

Auf Landesebene gäbe es eine Landesseniorenvertretung, die aus den Seniorenräten der Gemeinden bestünde. Sie würde den Landesseniorenrat wählen, der ein Anhörungsrecht bei den Ministerien hätte. red

 

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